„Paukenschlag“ beim BAG: Arbeitgeberpflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung

Mit seiner Grundsatzentscheidung (Beschl. vom 13.09.2022, Az.: 1 ABR 22/21) ist das Bundesarbeitsgericht dem sog. „Stechuhr“-Urteil des EuGH vom Mai 2019 gefolgt und dem Gesetzgeber zuvorgekommen.

Demnach besteht für Arbeitgeber die Pflicht zur systematischen Erfassung von Arbeitszeiten und das unabhängig davon, ob es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt oder nicht.

Hintergrund der Entscheidung war das Verfahren vor einer Einigungsstelle, bei dem ein Betriebsrat beim Arbeitgeber ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems forderte.

Während das Arbeitsgericht Minden (Beschluss vom 15.09.2020, Az.: 2 BV 8/20) in erster Instanz ein Initiativrecht unter dem Gesichtspunkt verwarf, dass das Mitbestimmungsrecht bei technischen Überwachungseinrichtungen eher als Abwehrrecht des Betriebsrats zum Schutz der Arbeitnehmer zu verstehen sei, war das Landesarbeitsgericht Hamm (Beschl. vom 27.7.2021, Az.: 7 TaBV 79/20) im Wege der Beschwerde hingegen der Auffassung, dass Wortlaut und Verständnis der betriebsverfassungsrechtlichen Norm ein anderes Verständnis verlangen würden.

Das BAG hat nun aber beschlossen, dass es im Verfahren gar nicht auf das (Nicht-)Bestehen eines Initiativrechts des Betriebsrates ankomme und begründete dies damit, dass es in der Frage eine gesetzliche Regelung gebe. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchH regelt, dass Arbeitgeber zur Sicherung des Gesundheitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen haben. Darunter fallen laut BAG auch die Messung und Erfassung der Arbeitszeit.

Die Konsequenz des Urteils: Arbeitgeber haben nun die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung!

Allerdings besteht (zumindest derzeit) noch keine Pflicht, die Arbeitszeit digital erfassen zu müssen, dies kann auch in Papierform erfolgen.

Das Urteil hat weitreichende Folgen und versetzt den Gesetzgeber in Zugzwang, Regelungslücken zu füllen oder bestehende Regelungen anzupassen, um flexible Arbeitszeitmodelle und Home Office auch weiterhin zu ermöglichen.

Zu beachten ist, dass die Entscheidungsgründe des BAG noch abzuwarten sind – über die Einzelheiten werden wir berichten.

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Jennifer Schild                                          Hubert Beeck

Rechtsanwältin                                         Rechtsanwalt

 

 

Sarah Kieczewsky

Cand. Iur

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